„Die Winterreise“ von Franz Schubert ist eines der zeitlosesten Werke der klassischen Musik. Sie inspiriert immer wieder neue Generationen von Künstlerinnen und Künstlern zu aktuellen Einsichten. Schuberts Seelenreise scheint ein urmenschliches Empfinden widerzuspiegeln. So ist es nicht verwunderlich, dass die Mezzosopranistin Giulia Taccagni und der Pianist Giacomo Carnevali die Frage nach der Bedeutung der „Winterreise” aus einer ganz persönlichen Perspektive beantworten: „Auch auf die Gefahr hin, das Offensichtliche zu sagen: Es war eine Reise – wenn auch eine Reise ohne wirkliches Ziel. Die Tiefe dieser Everest-ähnlichen Partitur bot bei jeder Lektüre neue Einblicke und frische Facetten. Folglich gab es nie – und gibt es trotz jahrelanger Vorbereitung und Live-Aufführungen immer noch nicht – ein echtes Gefühl der Vollendung, keinen Punkt, an dem wir sagen konnten, wir hätten jedes Lied „fertig studiert”. Und vielleicht ist auch die Reise des Wanderers ohne Ziel. Eine physische Wanderung durch eine kalte und gleichgültige, wenn nicht sogar offen feindselige Natur, aber auch ein psychologischer Weg durch die schwierigen Phasen der Verarbeitung eines Verlustes – ein Prozess, der in Wahrheit niemals abgeschlossen ist. Der Reisende klammert sich an den Schmerz, den ihm eine Gesellschaft zugefügt hat, die ihn abgelehnt hat und weiterhin ablehnt, wie die bellenden Hunde, die sein Vorbeigehen ankündigen, und findet Zuflucht nur im Leiden der Erinnerung und in jedem müden Schritt durch den Schnee.“