Die Dirigentenkarriere von Sir Simon Rattle stand von Beginn an für Aufbruch und Erneuerung – und auch die Musik der Gegenwart in all ihren Facetten spielt dabei eine große Rolle. So war es nur folgerichtig, dass er sich nach seinem Amtsantritt als Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auch einem Konzert der musica viva widmete. Auf dem Programm stand neben der Uraufführung von Vito Žurajs „Automatones“ der „Coro“ von Luciano Berio, ein Werk das Rattle bereits wiederholt dirigierte, von dem bislang aber noch keine Tonaufnahme aufgezeichnet wurde. Grund dafür sind die hohen Ansprüche der Komposition an die Aufnahmetechnik, denn Chorsänger und Orchestermusiker werden paarweise gemischt als kollektiver musikalischer Organismus auf dem Podium platziert, um die Trennung von Chor- und Orchesterstimmen optisch wie klanglich zu überwinden. Auch für das Aufnahmeteam des Bayerischen Rundfunks stellte dies Herausforderungen dar, die sie freilich hervorragend zu überwinden vermochten. In Luciano Berios „Coro“ für vierzig Stimmen und Orchester, entstanden zwischen 1975 und 1977, treffen anonyme Volksdichtungen u. a. der Sioux und Zuni und Liedtexte aus verschiedensten Ländern, die den zutiefst menschlichen Drang nach Freiheit widerspiegeln, auf die bewegende Lyrik Pablo Nerudas. Das Ergebnis ist ein brillant komponiertes Bekenntniswerk in ‚tragischer Stimmung‘. Auf dem Programm des live mitgeschnittenen Konzerts vom 13. Oktober 2023 aus der Isarphilharmonie stand außerdem die Uraufführung von „Automatones“ für großes Orchester, einem neuen Werk des slowenischen Komponisten Vito Žuraj (*1979), geschrieben im Auftrag der musica viva des Bayerischen Rundfunks. Das 2022/23 geschaffene Orchesterwerk thematisiert die mythologischen ‚Automatones‘ – Metallstatuen von Tieren, Menschen und Monstern, die vom göttlichen Schmied Hephaistos und dem athenischen Handwerker Daedalus hergestellt wurden.