Sir Georg Solti war ein gern gesehener Gast beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Der 1912 geborene Ungar hatte in der Nachkriegszeit entscheidende Aufbauarbeit am Bayerischen Nationaltheater geleistet und gehörte seit den 1960er-Jahren neben Leonard Bernstein und Herbert von Karajan zur Weltelite der Dirigenten. Für ein Sonderkonzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks am 10. Februar 1984 im Herkulessaal der Münchner Residenz kehrte Georg Solti einmal mehr nach München zurück. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn dirigierte der damals 71-jährige Auszüge aus Sergej Prokofjews Ballett „Romeo und Julia“ sowie die vierte Symphonie von Peter I. Tschaikowsky. Gerade die Werke jener beiden russischen Komponisten lagen bei ihm – neben denen von Bruckner und Mahler – in besten Händen, weil sie musikalisch temperamentvoll und klanglich außerordentlich transparent erklangen. Prokofjews dreiaktiges Ballett „Romeo und Julia“ entstand 1935 für das Moskauer Bolschoi-Theater, erlebte seine Uraufführung aber erst 1938 im tschechischen Brno. Im Münchner Sonderkonzert mit Georg Solti von 1984 erklangen in chronologischer Reihenfolge fünfzehn Nummern der Ballettmusik. Peter I. Tschaikowsky widmete seine vierte Sinfonie, die 1877/78 gleichzeitig mit seiner Oper „Eugen Onegin“ entstand, seiner Mäzenin Nadjeschda von Meck, mit der ihn eine langjährige Brieffreundschaft verband, ohne dass sich beide jemals persönlich begegnet wären. In einem Brief vom März 1878 an seine Brieffreundin umriss Tschaikowsky die Gefühle, die er bei der Komposition der vierten Symphonie empfunden hatte – aus denen indes kein exaktes sinfonisches Programm abzulesen wäre.