Enno Poppe hat für zwei der bedeutendsten Ensembles der zeitgenössischen Musik „maßgeschneiderte“ konzise Ensemblewerke geschaffen: „Gold“ – ein reines Vokalwerk für das SWR Vokalensemble – und „Körper“ – für das Ensemble Modern. In dem dreiteiligen A-cappella-Werk „Gold“ (eines seiner beiden bisherigen Chorwerke) gibt sich Poppe erstmals seiner Vorliebe für die lustvoll-exzessiven Texte von Arno Holz (1863–1929) hin, einem der wichtigsten Vertreter des deutschen Naturalismus und der literarischen Moderne. Die Gedichte stehen in parodistischer Beziehung zu weniger humoristischer Hochliteratur. Der geschmeidige Zauberklang des SWR Vokalensembles zeigt sich souverän in verschiedenen Kombinationen, manchmal wie in alter Vokalpolyphonie auf 24 Stimmen aufgefächert. „Körper“ führt uns an ein anderes Ende der Skala möglicher Klänge. Hier bilden die 21 Solisten des Ensemble Modern eine beeindruckende Big Band, ergänzt durch passende Holz- und Blechblasinstrumente (natürlich auch Saxophone). Hier geht es Poppe jedoch mehr darum, das, was die Big Band als „Klangkörper“ bietet, d. h. die Klangfarben, dynamische und rhythmische Möglichkeiten, mit den Mitteln der Neuen Musik, einer Kunst, die das Ensemble Modern wahrhaft perfektioniert hat, zu erforschen und zu erweitern. Wie so oft bei Poppe durchläuft das Stück „Körper“ mehrere Prozesse der Intensivierung und des Zusammenbruchs. In den Höhepunkten ist die Körperlichkeit der Musik fast überwältigend. Den Kern des Stücks bilden jedoch die intimen, dünn besetzten Momente, in denen sich die elektrischen Streicher ganz allmählich mit dem Schlagzeug erheben oder ein Saxophon, ein Keyboard oder eine Posaune aus dem Klangdickicht heraustreten und sich ein paar Momente der Selbstfindung gönnen.