Dass Felix Mendelssohn Bartholdy ein für seine Zeit außergewöhnliches Interesse an den Werken Bachs zeigte, belegt eindrucksvoll die legendäre Aufführung der Matthäuspassion, die der Romantiker dem Geschmack seiner Generation gemäß neu instrumentierte. Karl-Andreas Kolly begibt sich auf Spurensuche nach Bach in Mendelssohns Klavierwerken und entdeckt eine tiefe Verbindung in seinen eigenen Transkriptionen dreier Orgelsonaten, die den Komponisten der emotionalen „Lieder ohne Worte“ in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Die drei Sonaten in Kollys Bearbeitung wirken erstaunlich pianistisch; die dynamische Flexibilität und Präzision der Artikulation sorgen für einen luftigen Klang, der die polyphonen Strukturen plastisch hervortreten lässt. Die großen Variationen über Luthers Choral „Vater unser im Himmelreich“ gewinnen im Kopfsatz der sechsten Sonate an eindringlicher Intensität. Zu den drei Sonaten gesellt Kolly drei Präludien und Fugen, die schon dem Titel nach an Bach erinnern. Die selten gehörten Klavierwerke werden ergänzt durch zwei echt romantische Charakterstücke aus op. 7, deren erstes „Sehnsüchtig“ ganz offensichtlich eine Sarabande aus Bachs „Französischen Suiten“ paraphrasiert – ein weiterer Beleg für die Nähe dieser sonst so unterschiedlichen Musikepochen. Der satte Klang des Steinway-Konzertflügels ‚Manfred Bürki‘ aus dem Jahr 1901 tut ein Übriges. Mit Oktavverdoppelungen und geschickter Stimmführung gelingt es Kolly, einen großen Obertonreichtum bei gleichzeitig fülliger Tiefe zu erzeugen, die die Reduktion auf nur zwei Hände zu keiner Zeit als Beschränkung erleben lässt.