Liszts Études d’exécution transcendante waren zu ihrer Zeit das virtuoseste Werk, das die Klaviermusik je gesehen und gehört hatte. Den Titel des Werks kann man doppeldeutig verstehen: Einerseits meint er „Etüden mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad“, andererseits kann man ihn auch lesen als „Etüden, die eine transzendentale/übernatürliche Interpretation bedürfen“.
Die Musikkritik des späten 19. Jh. zeigte sich geschockt: Nicht nur hielt man diese Werke für unspielbar, sondern zudem auch für ungenießbar. Heute hat sich dieses Bild grundlegend gewandelt: Liszts Études d’exécution transcendante gehören heute zum festen Kern der wenigen wirklichen Meisterwerke der Klaviermusik, doch noch immer bilden sie einen Prüfstein für jeden Klaviervirtuosen.
Boris Giltburg, der mit seinen Rachmaninow-, Beethoven-, Schumann-, und Schostakowitsch-Einspielungen für NAXOS bereits viel Aufsehen erregt hat, stellt sich nun der ewigen Herausforderung Liszt. Das Ergebnis ist wieder einmal beeindruckend: Der Interpret, der beim weltberühmten Concours Reine Elisabeth auf sensationelle Weise nicht nur den Kritiker- sondern auch den Publikumspreis gewann, ist der idealer Interpret für Liszts Etüden, die ähnlich wie jene Chopins einen Interpreten verlangen, der nicht nur mit den höchsten spieltechnischen Schwierigkeiten zurechtkommt, sondern der vor allem auch bei aller virtuosen Herausforderung eine differenzierte Feindynamik und Fähigkeit zum emotionalen Vortrag beibehält. Niemand verkörpert diese Qualitäten besser als Boris Giltburg, der darum zu Recht den Ruf einer der besten Pianisten unserer Zeit genießt und 2018 für seine letzte Rachmaninow-Aufnahme auch den begehrten Medienpreis OPUS Klassik gewann.